Das Planschbecken

Das Kinderheim in der Königsheide war ein Vorzeigeobjekt, das größte in der DDR und das zweitgrößte in Ost-Europa. Es lag südlich von Berlin und umfasste ein 12 ha großes Waldgebiet.

In der DDR war Erziehung Bestandteil und Programm der Politik. Im Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem hieß es: „die Schüler, Lehrlinge und Studenten sind zur Liebe zur Deutschen Demokratischen Republik und zum Stolz auf die Errungenschaften des Sozialismus zu erziehen, um bereit zu sein, alle Kräfte der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, den sozialistischen Staat zu stärken und zu verteidigen.“

Bildung und Erziehung hatten die Aufgabe, „allseitig und harmonisch entwickelte sozialistische Persönlichkeiten hervorzubringen, die bewusst das gesellschaftliche Leben gestalten, die Natur verändern und ein erfülltes glückliches und menschenwürdiges Leben führen können.“

Der von den Heimbewohnern selbst geplante und durchgeführte Bau eines Planschbeckens auf dem großen Gelände des Kinderheims passt perfekt zu dieser Forderung.

In der Vorbereitung auf ein selbstständiges Leben und ihre Zukunft als Arbeiter packten alle gemeinsam mit an, um die Natur zu verändern und ihre Umgebung zu gestalten.

Zu dieser Zeit stand das Kinderheim unter der Leitung Gunter Rieses, der sich sehr für die Interessen der Kinder einsetzte. 1956 waren 50.000 Mark für den Bau eines Planschbeckens veranschlagt worden, durch die Eigenleistung der Kinder und Erzieher konnte dieser Betrag jedoch eingespart werden.

Ansicht historischer Dokumente zum Bau des Planschbeckens:

Das Planschbecken war in Form eines Dreiecks angelegt, ungefähr 50 cm tief und von beträchtlicher Größe. Es ähnelte mehr einem See als einem Schwimmbad. Für den Bau wurden 96 Bäume gefällt und Berge von Sand versetzt, zudem waren Mauerarbeiten notwendig. Von den VEB Motoren-werken, einem Patenbetrieb des Kinderheimes, wurde eine Wasserrutschbahn gespendet.

Der Arbeitsaufwand für die Kinder, die neben dem Planschbecken auch noch eine Turnhalle und eine Freilichtbühne errichteten, war groß. Aus jedem der Wohnhäuser, in denen jeweils um die 120 Kinder lebten, wurden mehrmals die Woche bis zu 30 Kinder für Bauarbeiten abgestellt. Daneben mussten die Kinder natürlich die Schule besuchen und ihre Hausaufgaben erledigen.

Um die Motivation der Helfer zu erhöhen, gab es Wettbewerbe zur Ermittlung der besten Aufbauhelfer. Während der Bautätigkeit wurden zudem kurze Filme über die jugendlichen Helfer gedreht und später vorgeführt.

Das Planschbecken in Betrieb genommen:

Die Heimkinder wussten anfangs nicht, was dort erbaut wird und spekulierten viel. Das Planschbecken wurde am1955 an die Allgemeinheit übergeben. Als das Becken in späteren Jahren zugeschüttet wurde, versuchten einige Heimbewohner, es wieder auszugraben. Als Protestaktion gegen die Zuschüttung haben viele Heimkinder in einer „Nacht- und Nebenaktion“ den Sand, der das Planschbecken bedecken sollte, vor den Eingang des Direktors geschüttet.

Bilder der letzten Überreste, wie sie Ende 2018 noch zu sehen waren:

Zeitzeuge: Harry Winkler, geb. 1950

Zur Person:
Harry Winkler kam im Oktober 1953 in das neu eröffnete Kinderheim in der Königsheide und gehörte damit zu den ersten Kindern, die dort einzogen. 

Der damals Dreijährige erinnert sich noch daran, dass es Betten gab, doch das Bettzeug fehlte. Winkler sagt, es hätte Unterschiede gegeben in der Erziehung und Behandlung der Kinder, er sei ein sogenanntes „Staatskind“, für den niemand zuständig war. 

Er wurde öfter bestraft als andere, die noch Familie hatten. Die Strafen seien hart gewesen: nachts barfuß auf dem Flur stehen oder Essensentzug. Teilweise habe es Missbrauch durch den Pionierleiter gegeben. 

Er berichtet, das Haus 4 sei das Vorzeigeobjekt gewesen, höherer Besuch oder westliche Diplomaten wurden dort hineingeführt.

1961, mit 11 Jahren, wurde er in ein Heim für Schwererziehbare verlegt, nachdem er eine Scheibe im Eingangsbereich der Schule zerbrochen hatte. 

Die Begründung erscheint ihm absurd, er vermutet vielmehr, dass die Wochenendbesuche in West-Berlin, die er mit seiner Pflegemutter unternahm, der Grund waren. Seine Pflegemutter arbeitete als Reinigungskraft im Kinderheim. 

Später fand er heraus, dass seine Eltern zu der Zeit in Westdeutschland lebten und sein Bruder in Norwegen adoptiert worden war.

Um an seine Akte zu kommen, hatte er einem Erzieher die Schlüssel entwendet, dafür wurde er eines Wirtschaftsverbrechens bezichtigt. 

Interview über die NAW-Arbeiten am Planschbecken

HARRY WINKLER und IRMGARD KATZORKE

„Das Planschbecken wurde zugeschüttet und unsere Jungs haben es wieder aufgeschippt und wollten es erhalten.“ (Irmgard Katzorke, 2018)

Zitat von Irmgard Katzorke

siehe auch Zeitzeugin: Irmgard Katzorke, geb. 1953

Projektteam: Alexandra Prömper, Pia Hansson, Violetta Remmele, Lydia Braune