Der Heimzoo

Der Ursprung des Heimzoos geht auf ein Tiergehege hinter dem Heizhaus zurück, welches 1955 gebaut worden war. Dieses entstand im Zuge einer Partnerschaft zwischen dem Kinderheim der Königsheide und dem neu gegründeten Tierpark Berlin in Friedrichsfelde. Das Tiergehege sollte jedoch nicht nur der Beschäftigung der Kinder dienen, sondern hatte vorrangig pädagogischen Nutzen. Die Kinder sollten lernen, Verantwortung zu übernehmen. Günter Riese, der Leiter des Kinderheims, hatte diese Idee von anderen Jugendeinrichtungen aufgegriffen und Kontakt zu Prof. Dr. Heinrich Dathe (1910-1991), dem Direktor des Tierparks, aufgenommen, der daraufhin das „Projekt Tiergehege“ übernahm und mit dem Fachpersonal aus dem Tierpark den Aufbau des Heimgeheges unterstützte.

Mit der Zeit kamen immer mehr Tiere in das Kinderheim, so dass aus dem einfachen Tiergehege ein Heimzoo wurde. Die Partnerschaft zwischen Tierpark und Heim bestand weiter, so waren die Kinder z. B. im Zuge eines NAW-Einsatzes am Bau einer neuen Fasanerie in Friedrichsfelde beteiligt. Zum Dank für diese Aktion wurde dem Heim in der Königsheide ein Fuchspaar geschenkt. Zwar stellten sich beide Füchse als Rüden heraus, dennoch bildeten sie die Grundlage für das Fuchsgehege im Heimzoo.
Mit der Zeit wuchsen die Bestände des Heimzoos, vor allem durch die Unterstützung aus dem Tierpark, weiter an. Neben den Füchsen und drei Hunden, welche nach einiger Zeit jedoch in den Polizeidienst gegeben wurden, lebten hier u. a.

Frettchen
Füchse
Gänse
Goldfische
Hühner
Kaninchen
Meerschweinchen
Pfaue
Pferde
Rehe
Schafe
Schildkröten
Schweine, Hängebauchschweine und Wildschweine
Waschbären
Ziegen

Die Kinder kümmerten sich um die Tiere und hatten auch sonst Kontakt zu ihnen, so dass viele Erinnerungen entstanden. So fütterten sie beispielsweise den Fuchs Moritz mit Wurst, ein junges Rehkitz, welches eine Gruppe Mädchen im Wald gefunden und Bambine genannt hatte, bekam häufig Kekse von den Kindern. Für die Wildschweine wurde ein extra Gehege gebaut und auch die Anzahl der Hausschweine nahm beständig zu. Als über 50 Schweine im Heim lebten, begrenzte das Hygieneamt die Anzahl auf zwölf Schweine, unter anderem wegen des Grundwasserschutzgebietes in der Königsheide. Einige der Tiere liefen frei über das Gelände, so z. B. die Gänse und teilweise auch Schafe, welche die Grünflächen abgrasten. Manchmal ließen die Kinder auch eine Rotte Schweine frei und machten sich einen Spaß daraus, die Tiere auf dem Heimgelände wieder einzufangen. Auch kam es vor, dass die Kinder sich auf die Rücken der Schweine zu setzen versuchten oder sogar Wettrennen mit diesen veranstalteten.

Bei der Gestaltung der Gehege war, mit Hilfe des Tierparks, auf die speziellen Anforderungen der Tiere geachtet worden. Beispielsweise besaßen die Füchse eine Höhle als Rückzugsort unter dem für die Kinder zugänglichen Gehegeteil.

Der Zoo stand allen Kindern offen und hatte keine speziellen Öffnungszeiten. Die Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft kümmerten sich um die Tiere. Ihre Aufgaben hier bestanden vor allem darin, die Ställe auszumisten und die Tiere zu füttern. Oftmals putzten, striegelten und streichelten sie die Zoobewohner aber auch nur. Hinzu kamen spezielle Arbeiten. Beispielsweise gingen die Kinder der Arbeitsgemeinschaft, als die Goldfische sich mit einem Pilz angesteckt hatten, in den kleinen Fischteich, um die Tiere per Hand zu fischen und mit einem Pflegemittel zu bestreichen. Dies zeigte Wirkung, die Goldfische erholten sich bald wieder.

Unterstützt wurden die Kinder bei ihren Arbeiten im Zoo durch einen angestellten Tierpfleger, welcher ihnen viel über die Tiere und den Umgang mit diesen erzählte und von den Kindern „Schweinemeister“ genannt wurde. Später kam auch ein ehemaliges Heimkind, welches eine Ausbildung zum Schäfer gemacht hatte, hinzu, um sich um die Ziegen und Schafe zu kümmern. Die Pfleger organisierten auch das Schlachten der Schweine und Gänse. Das so gewonnene Fleisch wurde jedoch höchstens als Zugabe zu den regulären Mahlzeiten im Kinderheim gegessen, da für eine komplette Eigenversorgung nicht genug Schweine vorhanden waren, geschweige denn geschlachtet wurden.

Die Kinder sollten durch die Arbeiten im Zoo und den Kontakt mit den Tieren ein Verantwortungsgefühl für ihre, auch regelmäßigen, Aufgaben entwickeln. Sie sollten so verstehen, dass die Tiere sich auf sie verlassen und sie ihren übernommenen Pflichten nachkommen mussten.

Literatur: Das Kinderheim in der Königsheide. Ein vergessener Ort. 1953-1964, herausgegeben vom Verein Königsheider Eichhörnchen e.V., Berlin 2010.

Unsere Zeitzeugin Heidemarie Zschocke, geb. 1944, erzählt aus ihren Erinnerungen:

FILM HEIDEMARIE ZSCHOCKE – Teil 1

FILM HEIDEMARIE ZSCHOCKE – Teil 2

FILM HEIDEMARIE ZSCHOCKE – Teil 4

Zeitzeugin Heidemarie Zschocke, geb. 1944

Zur Person

Frau Heidemarie Zschocke wurde 1944 geboren und kam, nach etlichen Stationen in anderen Heimen, 1956 in das Kinderheim in der Königsheide, in welchem sie bis 1962 blieb. Die Zeit hier empfand sie als sehr schön.
Während ihrer Zeit in der Königsheide las Frau Zschocke sehr viel und war regelmäßig in der Bibliothek des Kinderheims, welche von Hanna Riese, der Frau des damaligen Heimleiters Günter Riese, geführt wurde. Frau Riese hatte einen sehr mütterlichen Charakter und beriet u. a. auch in Kleidungsfragen. Sie und ihr Mann setzten sich stets für die Kinder im Heim ein und wurden von diesen daher sehr geschätzt. Vielen ehemaligen Heimbewohnern sind sie in sehr guter Erinnerung.

Für Frau Zschocke waren die Arbeiten am NAW, welche nach den Schularbeiten stattfanden, keine Pflichtübungen, sondern machten vor allem Spaß. Aus ihren Erinnerungen an diese Zeit erzählt sie, es wurde rumgealbert, gleichzeitig wurde das Gemeinschaftsgefühl der Kinder gestärkt und die Zusammenarbeit trainiert. Keinesfalls wurden die Arbeiten als Zwang empfunden. Die Hauptaufgaben der Kinder bestanden im Steine schleppen oder säubern, aber auch darin, den Mörtel anzurühren oder, gerade bei den Älteren, selber Maurerarbeiten zu verrichten.
Die Arbeiten wurden durch das Personal des Kinderheims organisiert, die Kinder fragten dann, wo sie gebraucht würden und helfen könnten. Die Mitarbeit gerade an den größeren Projekten machte die Kinder stolz, sie konnten sagen: „Hier haben wir mitgebaut!“


Projektteam: Jimin Lee, Maria Lehmann, Zeinab Shaker, Jan Wierzoch